Ein lehramtstreues Traktat über die Wurzelsünde der Selbsterhöhung
"Stolz geht vor dem Fall; ein hochmütiger Sinn vor dem Straucheln."
— Sprichwörter 16:18
Eine umfassende Untersuchung der Todsünde des Stolzes, der Wurzelsünde aller anderen Sünden, ihrer vielfältigen Manifestationen, ihrer zerstörerischen Folgen und des Weges zur Heilung durch echte Demut und göttliche Gnade.
Der Stolz (lateinisch: superbia) ist nicht einfach Selbstbewußtsein oder berechtigte Zufriedenheit mit einem guten Werk. Der Stolz ist die übermäßige Liebe zu sich selbst, die Liebe zur eigenen Größe. Der heilige Augustinus definiert Stolz als "Verachtung Gottes".
Der Stolz ist die Mutter aller Sünden. Alle anderen Sünden wurzeln in der Hoffart. Der Geizige ist hoffärtig in seinem Besitz. Der Zornige ist hoffärtig in seiner Macht. Der Neidische ist hoffärtig in seinem Gefühl, daß er mehr verdient.
Stolz ist die Weigering, sich Gott und der Wahrheit zu unterwerfen. Der Hoffärtige sagt: "Ich bin mein eigener Herr. Ich brauche Gott nicht. Ich bin selbstgenügsam."
Stolz wird als die schlimmste Todsünde betrachtet, weil er:
1. Direkt gegen Gott verstoßt: Der Hoffärtige preist sich selbst an, statt Gott zu preisen. Er nimmt die Ehre, die Gott gebührt.
2. Alle anderen Sünden hervorbringt: Ohne Stolz gäbe es keine anderen Sünden. Der Teufel selbst fiel in Hoffart.
3. Den Menschen von Gott trennt: Der Hoffärtige weigert sich, Gottes Hilfe anzunehmen. Er hält sich für selbstgenügsam.
4. Das Heil blockiert: Gott gibt seine Gnade dem Demütigen. Der Hoffärtige kann Gnade nicht empfangen, weil er sich nicht für bedürftig hält.
Der schöne Mensch stolziert herum, fasziniert von seinem eigenen Spiegelbild. Er glaubt, daß Schönheit ihn größer macht. Er despotiert weniger schöne Menschen. Dies ist flache, aber sichtbare Form des Stolzes.
Der Reiche schaut herab auf den Armen. Er glaubt, daß sein Reichtum ein Zeichen seiner Überlegenheit ist. Er vergißt, daß Reichtum eine Gnade Gottes ist, nicht das Ergebnis seiner Kraft.
Dies ist ein subtilerer Stolz. Der gebildete Mensch schaut herab auf den einfachen Menschen. Der Gelehrte glaubt, daß sein Wissen ihm die Autorität gibt, über Wahrheit zu entscheiden. Der Intellektuelle verweigert Autorität und Tradition.
Dies ist die schlimmste Form. Der frömmige Mensch, der glaubt, daß er heilig ist. Der Priester, der stolz auf seine Position ist. Die Nonne, die stolz auf ihre Tugend ist. Sie glauben, daß sie besser sind als andere Gläubige.
Der Adlige stolziert auf seiner Herkunft. Der Mensch von guter Familie hält sich für besser als andere. National-Stolz kann zu Verachtung anderer Völker führen.
Demut ist nicht Unterwerfung oder Feigheit. Echte Demut ist Wahrheit - die Wahrheit zu sehen, daß Gott alles ist und wir nichts ohne ihn sind. Die Demütige Person anerkennt ihre Würde vor Gott, aber sie preist sich nicht selbst an.
Die heilige Theresia von Avila sagte: "Demut ist Wahrheit." Der demütige Mensch sieht die Wahrheit über sich: daß er von Gott abhängig ist, daß seine Fähigkeiten Gaben sind, nicht eigene Leistungen.
Es gibt einen Stolz, der sich als Demut verkleidet. Der geistlich stolze Mensch sagt: "Ich bin so demütig. Ich erkenne meine Sünden. Ich bin voller Tugend." Dies ist noch tieferer Stolz - Stolz auf die eigene Demut!
Der Teufel versucht oft, den Heiligen in geistlichen Stolz zu verführen. "Du bist so heilig. Du hast so viel überwunden. Du bist würdiger als andere."
Der echte Demütige erkennt: "Ich bin nichts. Alle meine Gaben kommen von Gott. Meine Sünden sind meine eigenen. Meine Tugenden sind Gottes Gnade."
Der geistlich Stolze denkt: "Ich bin heilig. Ich habe diesen Sieg erreicht. Ich bin besser als dieser Sünder."
Der Teufel war der schönste aller Engel. Doch in Stolz weigerte er sich, Gott zu dienen. "Ich werde nicht dienen!" waren seine berühmten Worte. Aus diesem einen Akt des Stolzes fiel er und zog eine Heerschar von Engeln mit sich in die Finsternis.
Der Stolz ist buchstäblich die Sünde, die Gott aus dem Himmel wirft.
Der Stolz zerstört Ehen, Familien, Gesellschaften. Der stolze Mensch kann nicht verzeihen, weil er nicht zugeben kann, daß er falsch liegt. Der stolze Führer führt sein Volk in den Krieg aus blindem Hochmut.
Der Hoffärtige ist innerlich leer. Er muß ständig sein Ego aufblähnen, um sich bedeutsam zu fühlen. Jede Kritik verletzt ihn tiefgreifend. Jeder Fehler ist eine Katastrophe. Er lebt in Angst, daß andere die Wahrheit über ihn entdecken.
Der Hoffärtige kann Gottes Gnade nicht empfangen. Gott sendet die Hoffärtigen leer weg. "Gott widersteht dem Hoffärtigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade." (1. Petrus 5:5)
Demut ist die erste Tugend. Sie ist nicht erniedrigt oder Unterwerfung, sondern klare Sicht der Wahrheit. Der demütige Mensch weiß wer er ist: Ein geliebtes Kind Gottes, aber völlig abhängig von Gottes Gnade.
Der sanfte Mensch ist frei von Verurteilung. Er sieht andere nicht herab. Er weiß, daß er selbst fehlerhaft ist.
Der gehorsame Mensch akzeptiert Autorität - die Autorität Gottes, der Kirche, der legitimen Führer. Gehorsamkeit ist das Gegenteil von Stolz.
Die einfache Seele ist frei von Verstellung. Sie versucht nicht, Eindruck zu machen. Sie ist, was sie ist.
Der erste Schritt ist schmerzhaft: Zu sehen, daß ich stolz bin. Der hoffärtige Mensch sieht das nicht - das ist das Problem des Stolzes. Er sieht seine Hoffart als "gesundes Selbstbewußtsein".
Nur durch die Gnade Gottes kann der Hoffärtige die Wahrheit sehen: "Ich bin stolz. Ich bin abhängig. Ich bin nichts ohne Gott."
Die Beichte des Stolzes ist eine der schwierigsten. Der hoffärtige Mensch muß zugeben: "Ich bin hoffärtig. Ich bin unwürdig. Ich bin ein Sünder, der die Gnade nicht verdient."
Dies ist die Demütigung, die heilt.
Der hoffärtige Mensch muß lernen, klein zu sein. Dies könnte bedeuten, daß er seine Talente versteckt, daß er andere preist statt sich selbst, daß er Kritik akzeptiert ohne Verurteilung.
Gott liebt die demütigen. Er gibt ihnen Gnade. Mit der Zeit kann sogar der stolzeste Mensch in echter Demut verwandelt werden - nicht durch eigene Kraft, sondern durch Gottes Gnade.
Das Paradoxe des Evangeliums ist: Je mehr wir uns erniedrigen, desto höher werden wir erhöht. "Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht; wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt." (Matthäus 23:12)
Die demütige Seele ist frei - frei von der Last, Eindruck zu machen, frei von der Angst, bloßgestellt zu werden, frei, authentisch zu sein.
Kein Mensch ist so stolz, daß er nicht erlöst werden könnte. Das erste Beatitude ist "Selig sind die Armen im Geiste" - jene, die ihre Armut vor Gott erkennen. Dies ist der Anfang des Königreichs.
Durch Gottes Gnade, durch Beichte und Buße, kann jeder hoffärtige Mensch in echte Demut verwandelt werden.
Die wahre Größe liegt nicht in Stolz, sondern in Demut. Der heiligste Mensch ist der demütigste. Maria, die Mutter Jesu, war so demütig, daß sie als "Magd des Herrn" sich selbst ausdrückte. Doch sie wurde die Königin der Heiligen.